Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit am 29.09.2016

 

Anfrage zum Instrument der Eingliederungsvereinbarungen des Jobcenters Kreis Warendorf

zur Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Gesundheit am 29.09.2016


Die Eingliederungsvereinbarung gilt als eins der zentralen Instrumente des Prinzips „Fördern und Fordern“ im SGB II.
Als Eingliederungsvereinbarung wird eine vertragliche Vereinbarung zwischen einem Jobcenter (Agentur für Arbeit oder einem zugelassenen kommunalen Träger) und einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bezeichnet, die einerseits die erforderlichen Leistungen der für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigen zuständigen Behörde und zum anderen die vom erwerbsfähigen Leistungsberechtigen zu erbringenden Eigenbemühungen festlegen soll.

Die juristische Kommentierung gibt aufgrund vielzähliger gerichtlicher Entscheidungen zur Themenstellung „Eingliederungsvereinbarung“ mittlerweile eine Leitlinie vor, wie eine einigermaßen rechtskonforme Eingliederungsvereinbarung erstellt werden soll. Voraussetzung dafür sind geschultes Personal, das grundlegende berufliche Profiling, die Chancen- und Risiken-Abwägung, die Feststellung des beruflichen Ist-Zustands und die konsensfähige Festlegung von Rechten und Pflichten.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (L 19 AS 1085/16/B, Beschluss vom 02.09.2016) hält einen Eingliederungsverwaltungsakt des Jobcenters Kreis Warendorf für rechtswidrig und gewährt dem Kläger entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts Münster Prozesskostenhilfe.

In dem Beschluss heißt es:

"Nach summarischer Prüfung war der angefochtenen Eingliederungsverwaltungsakt rechtswidrig. Dahinstehen kann, ob der Beklagte berechtigt war, eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 S.6 SGB II zu erlassen. Jedenfalls ist der Inhalt des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt rechtswidrig. So erfüllen die aufgeführten Regelungen nicht die Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung einer Eingliederungsvereinbarung bzw eine Eingliederungsverwaltungsaktes nach § 15 Abs. 1 S. 2 SGB II. Nach § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II soll die Eingliederungsvereinbarung insbesondere bestimmen, welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Häufigkeit diese Bemühungen nachzuweisen sind. Die in dem Eingliederungsverwaltungsakt unter Ziffer 2 aufgenommene Regelung enthält zwar eine Aussage, welche Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit - Stellensuche, Erstellen von Bewerbungsunterlagen, Bewerbung aufgrund unterbreiteter Vermittlungsvorschlägen - der Kläger unternehmen soll, jedoch keine Aussage zur Häufigkeit und Art der vom Kläger vorzunehmenden Bewerbungen.Es handelt sich gerade nicht um eine Konkretisierung der in § 2 Abs. 1 SGB II geregelten Selbsthilfeobliegenheit eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigen, wonach dieser verpflichtet ist, eine ihm zumutbare Erwerbstätigkeit zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit fortzuführen bzw jede zumutbare Tätigkeit i.S.V. § 10 SGB II anzunehmen. Vielmehr wird nur die sich aus § 2 SGB II ergebende Arbeitssucheobliegenheit eines Leistungsempfängers (Bt-Drs15/1516,51; Berlin in LPK-SGB II, 5.. Aufl § 2 RN.2) umschrieben, ohne die individuellen Verhältnisse des Klägers zu berücksichtigen. Insoweit lässt der Eingliederungsverwaltungsakt nach seinem Inhalt nicht erkennen, dass er mit dem § 15 Abs. 1 SGB II verfolgten gesetzgeberischen Konzept entspricht. Weder ist ersichtlich, dass er auf den Leistunsgrundsätzen des § 3 Abs. 1 SGB II beruht, insbesondere die Eignung und individuelle Lebenssituation des Klägers berücksichtigt, noch dass er individuelle, konkrete und verbindliche Leistungsangebote zur Eingliederung in Arbeit als grundsätzlich notwendige Bestandteile einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines Eingliederungsverwaltungsakt enthält. Insoweit genügt der Eingliederungsverwaltungsakt zumindest hinsichtlich der Eigenbemühungen nicht dem Bestimmtheitserfordernis (vgö. Kador in EIcher, SGB II, 3. Aufl., § 15 Rn 40f mwN; Berlit in LPK-SGB II 5. Aufl, § 15 Rn 25ff; Gagel/Fuchsloch, SGB II § 15 Rn 61ff), zumal die Verletzung von in einem Eingliederungsverwaltungsakt festgelegten Pflichten die Grundlage für die Verhängung einer Sanktion gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II bilden kann. Soweit sich der Beklagte dahingehend einlässt, dass im Hinblick auf die Zumutbarkeitskriterien des § 10 SGB II und die fehlende Kooperation des Klägers eine weitere Eingrenzung der Eigenbemühungen nicht erforderlich und auch nicht möglich gewesen sei, ist anzumerken, dass auch ohne die Kooperation des Klägers die Häufigkeit der nachzuweisenden Bewerbungsbemühungen, die Art der Bewerbungen - schriftlich, digital, telefonisch - sowie die zu beachtenden Zumutbarkeitskriterien - Bewerbung auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen, bei Zeitarbeitsfirmen, geringfügige Tätigkeiten, angelernte und ungelernte Tätigkeiten - benannt werden kann.

Schliesslich ist hinsichtlich der Ausführungen des Beklagten in dem Eingliederungsverwaltungsakts zur genehmigten Ortsabwesenheit nach § 7 Abs. 4a SGB II darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nicht um hoheitliche Regelungen der Behörde mit Aussenwirkung im Einzelfall (§ 31 SGB X handelt, sondern lediglich um Erläuterungen zur Rechtslage (Vgl. BSG Urteil vom 15.06.2016 - - B 4 AS 45/15 R)"

Auch bei unseren Begleitungen als Beistand zu den Meldeterminen zum Zweck des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung müssen wir immer wieder feststellen, dass keine auf den Einzelfall des Leistungsberechtigten zugeschnittenen Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen werden sollen, Leistungen insb. von Seiten des Jobcenters nicht (ausreichend) konkretisiert werden und lediglich Erläuterungen zur Rechtslage enthalten sind. Wenn dies moniert wird und der Leistungsberechtigte von seinem Recht Gebrauch machen möchte, die Eingliederungsvereinbarung mit auszugestalten und auszuhandeln, wird dabei von den zuständigen Arbeitsvermittlern und Fallmanagern u.a. mitgeteilt, es sei personell und zeitlich schlichtweg nicht möglich, individuell zugeschnittene Eingliederungs-vereinbarungen abzuschließen und man mit Standard-Eingliederungsvereinbarungen arbeite. Damit müssten die Kunden leben. Wenn sie die vorgelegte Eingliederungsvereinbarung nicht unterschrieben, würde diese eben als die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Verwaltungsakt erlassen.

Für uns ergeben sich aufgrund des o.g. Beschlusses der Landessozialgerichts NRW und unserer eigenen Erfahrungen bei den Begleitungen als Beistand in den Anlaufstellen des Jobcenter des Kreises seit Bestehen der Optionskommune folgende Fragen:

1. Ist die aktuelle Anzahl der Mitarbeiter*innen im Bereich Arbeitsvermittlung und Fallmanagement ausreichend, um den gesetzlichen Vorgaben zum Abschluss der Eingliederungsvereinbarungen gerecht zu werden?
2. Wie wird die Qualifikation der Mitarbeiter*innen im Bereich Arbeitsvermittlung und Fallmanagement gewährleistet, um den gesetzlichen Vorgaben zum Abschluss der Eingliederungsvereinbarungen gerecht zu werden?
3. Wird das Jobcenter Kreis Warendorf Konsequenzen für zukünftige Eingliederungsvereinbarungen aus dem o.g. Beschluss des Landessozialgericht ziehen? Wenn ja, welche?
4. Oder wird eine Kosten-Nutzen-Abwägung dahingehend vorgenommen, dass die Kosten für weitere Mitarbeiter*innen bzw. die weitere Qualifizierung von Mitarbeiter*innen im Endeffekt deutlich höher wären als mögliche Anwaltsgebühren der Gegenseite bei Unterliegen des Jobcenters in streitigen Verfahren zu den Eingliederungsvereinbarungen?

Wir bitten um schriftliche Beantwortung sowie mündlich im Ausschuss.