Haushaltsrede Reiner Jenkel 2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
als mich Dierk Hartleb Mitte Januar für die Ahlener Zeitung nach dem Stand meiner Vorbereitungen auf die Etat-Erörterung befragte konnte ich noch nicht ahnen, auf welche Änderungen sich die Fraktionen von CDU, FDP und BMA einigen würden. Aber der Reihe nach:
Am 16. Januar wurde in der WN absolut zutreffend berichtet, dass ich davon ausginge, unser Kämmerer Dirk Schlebes würde, wie übrigens auch schon in den vergangenen Jahren, einen solide finanzierten Haushalt vorlegen. Mit dem von ihm verantworteten Haushaltsentwurf bin ich in der Tat weitgehend einverstanden und würde ihm in dieser oder ähnlicher Ausführung auch zustimmen. Ich begann mich auf eine Haushaltsrede vorzubereiten, in der ich das Positive, dass ich bei der gemeinsamen Arbeit von Politik und Verwaltung sehe und auch in Zukunft erwarte, hervorheben wollte. Und da gibt es so einiges: Ahlen hat eine zweite Gesamtschule bekommen, Ahlens erste, die Fritz-Winter-Gesamtschule, darf sich auch in den nächsten fünf Jahren, übrigens als einzige Gesamtschule im Kreis Warendorf, Europaschule nennen, sie hat die Rezertifizierung mit Bravour überstanden. Politik und Verwaltung stehen zu unserem Schullandheim in Winterberg. Der Vorstand des Trägervereins, in dessen Beirat ich lange mitarbeiten durfte, rechtfertigte von Anfang an das Vertrauen, dass der Rat ihm seit der Übernahme des Bürgermeister-Heinz-Lenfert-Hauses entgegenbrachte. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei meinem Kollegen Klaus Vorbrink von der CDU-Fraktion bedanken, der sich neben anderen in vorbildlicher Weise hier engagiert!
Ebenso gut klappt die Zusammenarbeit mit unserer stellvertretenden Bürgermeisterin Rita Pöppinghaus-Voss, mit der ich als Vertreter dieses Rates in der Steuerungsgruppe Fairtrade sitze. Seit dem 16. Januar 2018 ist Ahlen Faitrade-Stadt. Das wollen wir noch bekannter machen. Im Moment setzen für uns dafür ein, dass die Stadt Ahlen neben bisher 34 anderen Städten und Gemeinden in Deutschland, darunter 32 Fairtrade-Towns die Resolution „Kommunen für ein starkes Lieferkettengesetz in Deutschland“ unterzeichnet.
In seiner Dezember-Sitzung hat dieser Rat mit großer Mehrheit bei nur drei Gegenstimmen beschlossen, dem Städte-Netzwerk „Klima-Bündnis“ beizutreten. Auch die Erinnerungskultur spielt in unserer Stadt eine große Rolle, ich erinnere nur an die Stolpersteine, die jährlichen Veranstaltungen am jüdischen Ehrenmal anlässlich des internationalen Tages des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar oder die Kranzniederlegung von Bürgermeister Alexander Berger und Geschichtslehrer Tobias Meemann am Mahnmal für die NS-Opfer am Bruno-Wagler-Weg anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.
Die städtische Stabsstelle für Klimaschutz und Mobilität konnte seit dem Inkrafttreten der entsprechenden Förderrichtlinie im vergangenen Sommer rund 11 500 Euro an Fördergeldern für die Anschaffung von Lastenfahrrädern sowie Lasten- und Kinderanhängern ausschütten. Lobend erwähnen möchte ich auch die Gutschein-Aktion zugunsten von Ahlener Händlern und Gastronomen, die bei mir nebenbei die jährlich wiederkehrende Frage beantwortet hat: Was schenke ich meiner Frau zu Weihnachten? Hinweisen möchte ich auch auf die Verlängerung des Städtebauförderungsprogramms „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“. Dort stehen bis Ende 2021 noch rund 32 000 Euro für die Fassadenrenovierung zur Verfügung. Vorausschauend wurde das Gewerbegebiet „Olfetal“ erweitert, was sich in Zukunft auszahlen dürfte, wenn die Stadt dort Grundstücke veräußert.
Kritiker der Kostensteigerungen beim Bau des neuen Baubetriebshofes übersehen dabei oft, dass diese nicht das Resultat von Fehlplanungen oder ungenügender Begleitung sind, sondern die Folge von zusätzlichen Erfordernissen und Wünschen, die sich erst im Laufe des Prozesses ergeben haben. Zu nennen wäre hier in erster Linie die (durchaus sinnvolle) Aufstockung um eine Etage. Seinen Bedarf an Elektrizität und Wärme deckt der Baubetriebs- und Wertstoffhof nahezu allein aus Photovoltaik und Pelletheizung. Die Stadtwerke zeigen gerade beim Baugebiet „Hohle Eiche“ wie sie an dem ambitionierten Ziel Klimaneutralität im Jahr 2030 mitarbeiten wollen. Die Unterführung am Gebrüder-Kerkmann-Platz wurde von einem unattraktiven Loch zu einem Platz der Lichtkunst, so wie auch am anderen Ende der Fußgängerzone der Lichtkubus am Kunstmuseum. Nach der gelungenen Umgestaltung des Berliner Parks wird zur Zeit der Stadtpark naturnah erneuert und dürfte dadurch enorm an Aufenthaltsqualität gewinnen.
Hier hätte ich eigentlich meine Ausführungen beenden und meine Zustimmung zum Haushaltsplanentwurf bekunden können. Leider ist etwas dazwischen gekommen. Da ich seit der letzten Kommunalwahl nur noch in einem Ausschuss, dem Stadtplanungs- und Bauausschuss, vertreten bin, erfahre ich einige Dinge zunächst nur aus der Zeitung. Die Berichterstattung über den Auszug der fünf CDU-Vertreter aus dem Schul- und Kulturausschuss vor einer Woche hatte mich irritiert aber noch nicht gänzlich aus der Fassung gebracht. Das änderte sich am vergangenen Samstag, als ich die Berichte über die Sitzung des Finanz- und Personalausschusses las. Diejenigen, die mich kennen, auch als Späteinsteiger gehöre ich mittlerweile seit über elf Jahren diesem Rat an, wissen, dass ich mich eher besonnen und zurückhaltend auszudrücken pflege. Um aber zu beschreiben, was ich am Samstag empfand und immer noch empfinde, muss ich ausnahmsweise einmal tief in die Kiste mit den ganz starken und negativ konnotierten Attributen greifen: Entsetzt, unfassbar, unverantwortlich, abenteuerlich, skandalös, populistisch, aber auch die Ausdrücke „Schlag ins Gesicht“, „Frechheit“ oder „Respektlosigkeit gegenüber der Verwaltung“ sind Adjektive und Begriffe, die mir dazu einfallen. Auch frage ich mich irritiert, ob hier CDU und FDP, die unseren Bürgermeister im Wahlkampf unterstützt haben, diesem mit ihrer aberwitzigen Vereinbarung in den Rücken fallen, oder ob der Bürgermeister seiner Verwaltung in den Rücken fällt! Dass die Lehmannsche CDU-Fraktion eine solche Vereinbarung forcieren könnte, hat mich schon überrascht, dass die FDP mit den von mir durchaus geschätzten Kollegen Eric Fellmann und Norbert Fleischer da mitmachen, noch mehr und auch die Beteiligung der BMA-Fraktion ist mir schleierhaft, deren Mitglieder habe ich bisher eher als kreativ, originell und unkonventionell wahrgenommen, immer auch mit einer sozialen Ader. Was meine Kolleginnen und Kollegen der beiden kleineren Fraktionen, aber auch die der christlichen Soziallehre verpflichteten Mitglieder der CDU-Fraktion geritten hat, bei diesem, nein ein sozialer Kahlschlag ist es nicht, aber bei dieser Rodung mitzumachen, erschließt sich mir nicht. Ulla Woltering hat absolut recht, wenn sie erläutert, dass die Stadt Gefahr laufe, gesetzliche Aufgaben im Bereich Kindeswohl und Jugendhilfe nicht mehr im erforderlichen Umfang wahrnehmen zu können, wenn die vier neuen Stellen im Allgemeinen Sozialdienst gestrichen würden. Nebenbei bemerkt: Ich war bis vor kurzem Sachkundiger Bürger im Kreisausschuss für Kinder, Jugend und Familie. Ein ähnliches Ansinnen wäre dort auch und gerade von Seiten der CDU undenkbar gewesen! Dem Appel von Ulla Woltering an das Dreierbündnis, deren Entscheidung zu überdenken, kann ich mich an dieser Stelle nur ausdrücklich anschließen: Überdenken Sie Ihre Entscheidung! Als sonderbar empfinde ich das „Argument“ Lehmanns, dem neuen Sozialdezernenten nicht „vorgreifen“ zu wollen. Zumal niemand sagen kann, wann der oder die kommen wird. Der Verwaltung hielt er dem Bericht in der Zeitung zufolge vor, „ihre Stellenanforderungen nicht vehement genug begründet“ zu haben. Das kann unser Bürgermeister und Chef der Verwaltung ja hier und jetzt nachholen: Sehr geehrter Herr Dr. Berger, bitte begründen sie vehement die Stellenanforderungen! Auch die Leiterin des Fachbereichs 1, Gabriele Hoffmann, musste sich vom Dreierbündnis brüskieren lassen: Trotz ihres Hinweises auf deren Notwendigkeit, immerhin seien dort knapp 4000 Überstunden aufgelaufen, lehnte dieses die beiden neuen Stellen in der IT „entschieden“ ab. Die FDP plädiert dafür, diese Aufgaben outzusourcen. Mein Sohn, der in Münster Wirtschaftsinformatk studiert hat, ist seit über einem Jahr Marketingchef eines mittelständischen münsterländischen Unternehmens. Die Aufgaben, die er übernommen hat, wurden früher outgesourced. Jetzt läuft‘s da deutlich besser. Der Rat sei der Souverän und die Verwaltung habe die Entscheidung der Politik umzusetzen, wird Lehmann in der Ahlener Ausgabe der Westfälischen Nachrichten zitiert. Herr Lehmann, es wäre wünschenswert wenn sie selbst wahrhaftig souverän wären, aber souveränes Verhalten kann ich bei Ihnen beim besten Willen nicht entdecken! Die Abschaffung der Hundesteuer ist sicher diskussionswürdig, passt aber aber nicht in die Zeit, wie Heinrich Artmann bemerkte. Da gebe ich ihm ausdrücklich recht. Der Absenkung der Grundsteuer B stehe ich als Linker im Prinzip aufgeschlossen gegenüber, aber auch das passt nicht in die Zeit. Auch der Einwand von Petra Pähler-Paul, die 15-prozentige Senkung der Grundsteuer B würde eine Entlastung von 290 000 Euro bedeuten, sich beim Bürger aber mit höchstens sechs Euro bemerkbar machen, ist nachvollziehbar. Kurz vor Schluss noch eine Randbemerkung: Lehmann freut sich, dass es nach Jahren wieder gelungen sei, ein „bürgerliches Bündnis“ zur Verabschiedung des Etats zu schmieden. Frage: Sind (zum Beispiel) Sebastian Richter und ich keine Bürger? Unser Kämmerer kann den Haushalt des Dreierbündnisses aus CDU, FDP und BMA nicht mittragen. Ich auch nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich kenne viele von Ihnen und schätze sie über unsere Parteigrenzen hinweg. Es wäre ein Zeichen politischer und menschlicher Größe, wenn Sie heute - entweder ihre Forderungen zurücknehmen würden - oder - auch wenn das in einer solchen Ratssitzung ein ungewöhnlicher Schritt wäre, Beratungsbedarf anmelden würden und wir die Beschlussfassung über den Haushaltsentwurf vertagen würden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der BMA, uns eint einiges, im vorletzten Kommunalwahlkampf haben wir gemeinsam Ulla Woltering ais Bürgermeisterinkanditatin unterstützt - Schnee von gestern? Ich habe, als ich auf Einladung des Sowi-Kurses des Städtischen Gymnasiums und ihres Lehrers Paolo Chipola Anfang November den Schülerinnen und Schülern Rede und Antwort stehen durfte, erklärt, dass wir uns im Ahlener Stadtrat in den meisten Fragen einig wären, auch und gerade in den Bereichen Schule sowie Kinder- und Jugendhilfe. Ich würde mich freuen, wenn sie diese Einschätzung auch heute bestätigen würden! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!