Rede zum Haushalt des Kreis Warendorf 2019
Sehr geehrter Herr Landrat, meine sehr verehrten Damen und Herren,
dass es in diesem Jahr gelingt, eine so niedrige Kreisumlage zu erheben, erfreut auch die Linke. So bleibt unseren Städten und Gemeinden etwas mehr Luft,
sich um die Sanierung oder wenigstens den Erhalt ihrer Straßen, ihrer Schulen, anderer Gebäude und öffentlicher Einrichtungen zu kümmern oder auch dringend benötigtes Personal einzustellen.
Wir begrüßen das ausdrücklich, auch wenn wir die Finanzausstattung der Städte und Gemeinden insgesamt in unserem Lande keineswegs auch nur für annähernd ausreichend halten.
Der verbleibende Investitionsstau liegt im Bereich von deutlich über hundert Milliarden Euro. Allein bei den Schulen und Kitas beläuft er sich laut KfW auf 55 Mrd. Euro.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags, Hans - Günter Hennke, erläutert das Problem so: Die Kommunen tragen fast ein Viertel der gesamtstaatlichen Ausgaben, während ihr Steueranteil nur gut halb so groß ist.
Das muss sich dringend ändern.
Herr Landrat, meine Damen und Herren,
auch im ablaufenden Jahr und auch heute machte Herr Blex seinem Ruf als besonderer Verfechter höchster Korrektheit und als wahrhaftig mitfühlendes Wesen alle Ehre.
Da reist er mit einigen Gesinnungsfreunden zunächst auf die vor nicht allzu langer Zeit von Russland annektierte Krim, um dann weiter nach Syrien zu fahren, wo er ganz erstaunliche Feststellungen gemacht hat.
Wie er landauf, landab nicht müde wird, den Menschen in Veranstaltungen seiner Partei zu erklären, gibt es dort kaum nennenswerte Zerstörungen und sichtbare Unterdrückung oder Verfolgung Andersdenkender gibt es dort seiner Meinung nach auch nicht.
Man könnte in Hohngelächter ausbrechen, wenn es für die betroffenen Menschen nicht so überaus grausam wäre.
Meine Damen und Herren,
wie blind oder besser unwillig zu sehen muss man sein, wenn man so über dieses Land spricht.
Was für ein Schlag ins Gesicht der Oppositionellen oder einfach der Menschen in Syrien, die keine Anhänger des Regimes sind,
wenn sich Herr Blex mit dem syrischen Minister für Aussöhnung Ali Haida und dem syrischen Großmufti Ahmad Badr al-Din Hassoun abgibt
- sie erinnern sich - das ist der Kerl - und eine andere Bezeichnung für diesen Menschen scheint mir vollkommen unangebracht - der dem Westen 2011 mit dem Einsatz von so wörtlich „Selbstmordattentätern, die bereits in Euren Ländern sind“, gedroht hatte.
Mit solchen Unmenschen erörtert Herr Blex Rückführungsmöglichkeiten für Flüchtlinge nach Syrien.
Beide „Herren“ sind tatsächlich übelste Schergen des mörderischen Regimes von Baschar al-Assad. Dass diese unsägliche Reisegruppe dann auch noch versucht hat, sich die Kosten dieser anfangs übrigens als privat deklarierten Reise von der Kasse des deutschen Bundestags - also aus unseren Steuergeldern - erstatten zu lassen, zeigt die Denkart dieser Leute nur zu deutlich.
Doch damit nicht genug. Herr Blex meint dann auch noch Mevlüde Genc verspotten zu müssen. Die Frau, die am 29.05.1993 durch einen perfiden rechtsextremistischen Brandanschlag in Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren hat.
Diese Frau zu verhöhnen, die trotz allem, was ihr angetan wurde, die Größe hat, nicht Hass sondern Aussöhnung zu wollen, ist einfach nur unter aller Kritik.
Aber vielleicht kann man als Vertreter einer rechtsextremistischen Partei auch nicht anders. Das ist nur ein weiteres Indiz, wofür diese Pseudoalternative tatsächlich steht - blanke Menschenverachtung. Es ist wohl schlicht der Hass auf alles andersartige, was diese Herrenmenschen antreibt.
Bezeichnend war dann auch, wie die Herren Höcke und Blex ihren sogenannten „Schweigemarsch“ durch Chemnitz zelebrierten, in dessen Umfeld Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens stattfanden.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, bedauere ich es zutiefst, dass sich die Landratsmehrheit hier im Hause nicht im Stande sah, die dankenswerterweise von den Grünen eingebrachte Resolution gegen Rechtsextremismus, auf dessen Konto übrigens seit der Wiedervereinigung nach Recherchen von Zeit-online und des Tagesspiegels 169 Tötungsdelikte gehen – das sind rechnerisch mehr als sechs jedes Jahr - mitzutragen.
Bedenkt man, dass laut einer von CNN in Auftrag gegebenen Studie rund 40% der 18-36jährigen in Deutschland glauben, wenig oder gar nichts über den Holocaust zu wissen, ist das Erstarken des Rechtsextremismus, der dieses Land und seine freiheitlich-demokratische Grundordnung tatsächlich gefährdet, im übelsten und tragischsten Sinne nur folgerichtig.
Wie neueste Zahlen zeigen, steigt tatsächlich die Zahl der Holocaust-Leugner. Offenbar gibt es im Geschichtsunterricht in unserem Land weiterhin ganz unsägliche Defizite.
Ich fürchte, es ist nicht mehr allen klar, welche Denkrichtung für die etwa 80 Millionen Toten in den zwei Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts verantwortlich war.
Natürlich der Nationalismus. Und da der Rechtsextremismus, stets mit dem Nationalismus Hand in Hand geht, fehlt mir jedes Verständnis für ihre Haltung, meine Damen und Herren von CDU und FDP.
Seien sie sicher - nicht nur mir.
Aber die Toten der Weltkriege waren nach Ansicht des GröVaZ der Pseudoalternative nur ein so wörtlich „Fliegenschiss“.
Die Menschen, die zum Teil Jahre als Soldaten an den verschiedenen Frontlinien haben kämpfen müssen, und anschließend zum Teil noch Jahre in Kriegsgefangenschaft zubringen mussten, zu Hause aus ihren Wohnstätten gebombt wurden oder nächste Angehörige verloren haben, sehen das ganz sicher völlig anders.
Damit sie mich aber richtig verstehen, nein, wir befinden uns aktuell nicht in einer historischen Phase vergleichbar der im Deutschland der 20er oder zu Beginn der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Kein Krieg, in den die Menschen mit großem nationalistischen Hurra gezogen sind und der am Ende etwa 17 Millionen Leben gekostet hatte, wurde gerade verloren.
Kein Versailler Vertrag drangsaliert Deutschland und die Arbeitslosigkeit ist nicht binnen vierer Jahre auf das dreifache gestiegenen.
Dennoch gibt es, wie die Moderatorin von Panorama - Anja Reschke - in der WDR-Redezeit erklärte, heute in Deutschland genauso viele Menschen mit einem geschlossenen rechten Weltbild wie 1933.
Aber auch heute im Jahre 2018 haben wir geschätzt - nicht von uns sondern vom statistischen Bundesamt - knapp 4,2 Millionen Menschen in unserem Land, die auf den Bezug von ALG II angewiesen sind. Die sind nicht alle arbeitslos, die sind arm trotz Arbeit - ja sogar vielfach Vollzeitarbeit und das, meine Damen und Herren, bei 2,1 Milliarden Überstunden im letzten Jahr.
Das entspricht ca. einer Millionen Vollzeitstellen.
Eine Milliarde dieser Überstunden waren übrigens unbezahlt. Und verlässliche Schätzungen zur Dunkelziffer liegen bis dato nicht vor.
Wie der Kinderschutzbund am 22. August dieses Jahres veröffentlichte, leben nach seinen Berechnungen 4,4 Millionen Kinder in Armut und er schreibt: „...ein Armutszeugnis für ein reiches Land...“.
Recht hat er!
Herr Berkhoff, ich bin sicher und ich hoffe, wir sind da einig, die Organisation, deren hiesiger Kreisvorsitzender sie sind, verbreitet keine Falschnachrichten.
Aber meine Damen und Herren, was haben diese Kinder Böses getan, dass sie so derart hart bestraft werden?
Und die Ungleichheit in unserem Land wächst weiter und weiter. Irgendwelche Versuche der Groko, daran etwas zu ändern:
--- Fehlanzeige.
Wie mussten wir Anfang des Monats lesen:
Dem Kreis Warendorf droht Altersarmut in großem Ausmaß.
38.000 Arbeitnehmer im Kreis – das sind aktuell 34 Prozent - würden beim Status quo nach Berechnungen des Pestel-Instituts in der Grundsicherung laden.
Wenn das Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent des Einkommens abgefallen sein wird, werden es 52.000 Menschen sein. Und das trotz 45 Beitragsjahren. Das werden dann 46,5% sein.
Walter Riester und dem Genossen der Bosse Gerhard Schröder sei Dank. Natürlich auch allen folgenden Bundesregierungen, die nichts daran geändert haben und damit unser Land in eine sich vertiefende Spaltung getrieben haben.
Quasi gleichzeitig haben die mehrfachen Milliardäre Stefan Quandt und seine Schwester Susanne Klatten eine Dividende von einer Milliarde Euro im ablaufenden Jahr allein für ihre Anteile an BMW erhalten, die sie in meinen Augen absolut nicht ausreichend versteuern müssen, während gleichzeitig viele alleinerziehende Mütter oder Väter in diesem Land nicht wissen, wie sie ihren Kindern dringend benötigte Turnschuhe, Bücher etc. etc. kaufen können.
Die Bertelsmann Stiftung war so freundlich, eine neue Studie namens „ Kommt das Geld bei den Kindern an?“ mit für sicherlich manchen auch hier im Hause ganz erstaunlichen Ergebnissen zu veröffentlichen:
Kindergeld und vergleichbare Leistungen sowie auch deren Erhöhungen werden von Beziehern von Transferleistungen nicht etwa, wie an manchem Stammtisch im Lande in fröhlicher Bierlaune gern kolportiert wird, für Zigaretten oder Alkohol verwendet, sondern tatsächlich für die Kinder. Vielleicht schließt da der eine oder andere allzu schnell von sich selbst auf andere.
Wenn ich dann an die üblen Unterstellungen der früheren Familienministerin Ursula von der Leyen gegenüber den potentiellen Beziehern dieser Leistungen denke,
als sie das Bildungs- und Teilhabepaket vorstellte, das regelt, dass die Eltern kein Bargeld sondern Gutscheine in die Hand bekommen und das schon wegen seiner erheblichen bürokratischen Hürden von viel zu wenig Berechtigten in Anspruch genommen wird, meine ich mich fast für diese Dame fremdschämen zu müssen.
Immerhin spreche ich gerade von einem Regierungsmitglied, das in neuerer Zeit bei der Beauftragung von Beratungsunternehmen äußerst großzügig mit Steuergeldern umzugehen scheint.
Das Nähere wird nun ein Untersuchungsausschuss zu klären haben.
Mir will die Logik der Weigerung der Landratsmehrheit, mit der Kandidatur als Fairtrade-Kreis ein klares Zeichen für einen zukunftsorientierten Kreis Warendorf zu setzen, absolut nicht in den Kopf.
Wie oft haben sie, Herr Gutsche, hier die ihres Erachtens gar ach so hohen Kosten im Zusammenhang mit Flüchtlingen beklagt. Hier haben sie, meine Damen und Herren von der Union, gleich die Möglichkeit mitzuhelfen, Fluchtursachen zu beseitigen.
Allerorten erklären Politiker der Union die Fluchtursachenbeseitigung zum Heilmittel der von ihnen so bezeichneten „Flüchtlingskrise“. Scheinbar dringt solche Kunde nur nicht bis in die Provinz.
Aber halt! Doch, sie ist längst auch in der ganz und gar nicht hinterm Mond befindlichen Provinz angekommen. Der Landrat des Kreises Steinfurt, Dr. Klaus Effing, wird nicht müde, in halb Westfalen die besonderen Vorteile der Fairtrade-Idee an den Mann bzw. die Frau zu bringen.
Was wäre das schön, hier würde genauso gedacht.
Und dabei ist Landrat Effing doch auch CDUler.
Vielleicht erinnern sich einige von ihnen an die Berichterstattung von der letzten Vollversammlung der Vereinten Nationen.
Das war die Versammlung im September dieses Jahres bei der zum ersten Mal in der Geschichte dieses Gremiums laut gelacht wurde - nämlich als sich Donald Trump wieder einmal selbst über den grünen Klee lobte.
In dieser Sitzung sprach aber auch Iván Duque der Präsident Kolumbiens.
Er machte eine ganz einfache Rechnung auf. Eine Tasse Kaffee kostet in einem New Yorker Café 5 US-Dollars. Davon kommen allerdings bei den Kaffeebauern gerade einmal 10 Cents an.
Mir wird schon lange beinahe übel, sehe ich in einer bekannten Kaffee-Werbung eine nachgerade strahlend glückliche Kaffeepflückerin. Eine widerliche Verzerrung der wahren Verhältnisse.
Auch wir hier könnten unseren Beitrag leisten, daran etwas zu ändern. Leider wollen sie auch diese Chance heute vertun.
Zum neuen Dauerthema RWE:
Wenn wir früher der Ansicht waren, die Versorgung mit Energie und Wasser gehöre in der heutigen Zeit zur Daseinsvorsorge und damit in die öffentliche Hand,
so sind wir das heute mehr denn je.
Eine Eigentümer- und Einflussstruktur wie sie beim RWE besteht, erscheint uns jedoch absolut nicht sinnvoll, da dieses Unternehmen zur Zeit ganz offenkundig ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Vorgaben geführt wird. Aber gerade im Energie- und damit auch zwangsläufig Umweltbereich darf das Streben nach maximalem Profit keinesfalls Priorität genießen.
Rolf Schmidt - Chef des RWE - der sich auch weiterhin strikt weigert, die Zeichen oder besser Notwendigkeiten unserer Zeit zu erkennen, schwingt sich nun zu allem Überfluss dazu auf, den Mitgliedern der Kohlekommission sowohl ihre Kompetenz als auch ihre demokratische Legitimation abzusprechen. Wie ist es denn um seine eigene bestellt? Ich denke erheblich schlechter.
Dass die Landratsmehrheit sich nicht dazu durchringen konnte, in der Funktion als Anteilseigner Verantwortung für unser Klima zu übernehmen und unsere Resolution zu unterstützen, ist aus unserer Sicht in hohem Maße bedauerlich, insbesondere vor dem Hintergrund der klaren Verfehlung der Klimaziele durch die Bundesrepublik, die ein höchst peinliches Bild vom Hochtechnologieland Deutschland in der Welt zeichnet.
Wenigstens sind noch Teile der Union fähig, die Realität des anthropogenen Klimawandels umfänglich zu erkennen:
Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller sagte Anfang des Monats vor der Klimakonferenz in Kattowitz gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass der Klimaschutz eine Überlebensfrage der Menschheit sei und erklärt,
warum Kohlekraftwerke das Ende des Planeten bedeuten werden.
Das von einem Unionspolitiker zu hören, lässt mich hoffen, dass es - wann auch immer - möglich werden könnte, in unserem Land noch Mehrheiten für eine die Politik im Einklang mit der Natur zu organisieren.
Wie drückte es der deutsche Astronaut Alexander Gerst so treffend aus:
Es gibt keinen Planeten B.
Meine Damen und Herren, Frau Riveiro-Vega und ich werden gegen den vorliegenden Haushaltsentwurf stimmen.
Grund dafür ist, dass es die Landratsmehrheit es ablehnt, den Bedarf von Frauen helfen Frauen in vollem Umfang zu akzeptieren.
Familienministerin Franziska Giffey hatte dabei erst vor ca. drei Wochen die Brisanz der Lage erklärt: 2017 wurden 140.000 Fälle häuslicher Gewalt gemeldet. Dabei geht sie davon aus, dass 80 Prozent der tatsächlichen Fälle gar nicht erst zur Anzeige kommen.
Und das ist nur ein Teil des Arbeitsfeldes von Frauen helfen Frauen.
Wir können daher nicht nachvollziehen, warum hier eine Kürzung gewollt ist, sehend, was sonst in diesem Kreis für die Landratsmehrheit finanzierbar ist.
Herr Landrat, meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei der Verwaltung und ganz besonders bei den Grünen für die überaus konstruktive Zusammenarbeit und wünsche ihnen und allen Menschen hier im Kreis ein wunderbares Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins Jahr 2019.